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5 Gründe, warum ich die Märchenrecherche liebe

Maria Weidinger • 17. Juli 2022

Die Märchenreise zum Finden eines Märchens

Was dich in diesem Artikel erwartet:

  • lesen, lesen, lesen
  • Auseinander-Setzung: Bedeutungen erfassen und unterscheiden
  • historische Fakten sammeln
  • kreativ werden
  • singen, spielen, tanzen

Bei der Märchenrecherche kann ich alles machen, was ich gerne mache:


Bücher besitzen und lesen, Tabellen erstellen, Texte analysieren, historische Forschung betreiben, malen, in die Natur gehen, all meine Sinne nutzen, Neues lernen, Fragen stellen, Verbindungen finden, singen, flöten oder Klänge erzeugen. Die Märchenrecherche setzt einen kreativen Prozess in Gang, der mich beflügelt und freudige Funken setzt. Ich setze mich eingehend mit einem Thema auseinander, und darf es dann auch wieder gehen lassen, das kommt meiner Scanner-Persönlichkeit sehr entgegen.

Lesend aus der Fülle schöpfen

Auf der Suche nach einem Märchen überlege ich natürlich, welche Märchen ich schon erzählt habe. Und das sind schon einige, da sind kurze und sehr sehr lange (von 2 Minuten bis 45 Minuten Erzähldauer - und das war gekürzt!), da sind einige aus der Sammlung der Brüder Grimm und aus anderen Märchensammlungen, und auch von allen 5 Kontinenten habe ich schon Märchen erzählt bzw von Australien und Neuseeland Märchen gelesen (abschreckend lange Namen - und das bei meinem katastrophalen Namensgedächtnis).


Schön und gut. Es gibt so viele Märchen, die ich gerne neu entdecke und so viele Märchen, die ich ganz neu entdecke.


Und da hilft mir einmal mein Märchenbücherregal:

Bild Buchregal

... beziehungsweise mußte ich einige Bücher schon ins Wohnzimmerregal auslagern, weil Billy einfach keinen Platz mehr hatte.

Ja, ich liebe Bücher. Und wenn ich irgendwo eins sehe oder lese, das interessant ist: Habenwill und Habenmuss gehen dann Hand in Hand.


Hier habe ich Märchenbücher mit Themenschwerpunkten: für (Kleinst)Kinder, Mutter Erde, Blumen, Pflanzen, Bäume, Trauer, Pferde, Wald, Liebe usw. und Märchenbücher zu Regionen: Oberpfalz, Ostsee, Kaukasus, China, Syrien, Afrika, Nordamerika, Südamerika, Asien, Litauen, Neuseeland usw. und Märchensammlungen: zu den Brüdern Grimm mehrere unterschiedliche Ausgaben, 1001 Nacht, Märchenpalast und andere.


Das Märchenforum habe ich abonniert. Alle viertel Jahre flattert eine Zeitschrift mit einem Themenschwerpunkt ins Haus mit Märchentexten und Betrachtungen dazu. Damit ich den Überblick behalte, habe ich mir eine Excel-Tabelle angelegt.


Das Internet ist eine super Erfindung. Auch da gibt es Märchensammlungen, z.B. Hekaya oder den Märchenbasar. Ich muß nur aufpassen, manche Märchen sind da kein Allgemeingut, sondern sind Autorenrechte drauf. Aber auch auf Blogs oder durch die Google-Suche finde ich Märchentexte, wenn ich Suchbegriffe eingebe. Auf Facebook bin ich Mitglied der Märchengruppe, wo immer wieder Märchen geteilt werden oder Märchen und Texte zu bestimmten Themen veröffentlicht werden, ich aber auch um Hilfe ans Schwarmwissen bitten kann.


Im Billy-Regal stecken auch Sachbücher zum Thema Märchen: Trauerarbeit mit Märchen, ein Buch zur Erklärung von Traum-Symbolen. Das Märchenlexikon von Walter Scherf ist mein Liebling, wenn ich etwas zur Herkunft eines Märchens wissen oder verwandte Märchen finden will. Ein Buch zum Geschichtenerfinden. Noten- und Liederbücher, Klatschspiele und Fingerspiele, ein Buch aus dem Improtheater für Gruppenspiele, Bastelbücher, ja, auch die Anleitungen vom SuperCraftLab. Die "Wolfsfrau" zu Frauenthemen und andere Märchenbetrachtungen und Deutungen. Und noch andere mehr.


Ich habe sie bei weitem nicht alle gelesen. Ich blättere in manchen, manche Märchen sind einfach langweilig, die leg ich zur Seite. Andere kann ich immer wieder lesen. Und als ich "Aschenputtel" erzählen wollte, habe ich entdeckt, dass ich vieles daraus ganz anders eingeprägt oder vergessen hatte (da mag wohl ein bestimmter Film dran auch Mitschuld haben).

Der Hintergrund bleibt nicht verborgen

Ein Beispiel: Für den Märchenspaziergang am Schmausenbuck hatte ich mir für den 29. Mai 2022 das Thema "Spiegel" vorgenommen. Drei Märchen zum Thema darf ich wählen. Als erstes fällt mir "Schneewittchen" mit der Stiefmutter ein, die in einen Wandspiegel schaut. Aber auch "Das Eselein", da ist der Spiegel eine Wasseroberfläche in einem Brunnen, oder in "Die Kristallkugel" schaut der Märchenheld im Spiegel die Prinzessin. In einem orientalischen Märchen dient ein Spiegel der Annäherung von Mann und Frau. Alice gelangt durch einen Spiegel in ein anderes Land.


Unterschiedliche Spiegel, unterschiedliche Bedeutungen, oder am Ende doch die gleiche?


Diese Bedeutungen und den Hintergrund des Märchengegenstandes herauszufinden ist Teil der Märchenrecherche. Die Herangehensweise kann ich ganz unterschiedlich gestalten: Internetrecherche, ich kann zum Bild malen oder mich durch einen Spaziergang rund um Schupf inspirieren lassen, kann anderen Fragen stellen für neue Sichtweisen, kann mich in einen Märchengegenstand verwandeln und das Märchen aus seiner Sicht erzählen, oder kann Schneewittchen zu ihren Hobbies oder ihrer Lieblingsfarbe interviewen. Ja - es macht Spaß!


Damit versuche ich, folgende und ähnliche Fragen für mich zu beantworten, um das Märchen möglichst objektiv erzählen zu können: Welche Bedeutung hat der Gegenstand in diesem speziellen Märchen, welche in dem andern? Was zeigt der Spiegel alles: Wirklichkeit, seitenverkehrt, Wunsch, mit einer Verlängerung oder entsprechend gehalten zeigt er auch Dinge, die verborgen sind oder ich nicht sehen sollte, Vielschichtigkeit. Was macht das Symbol mit mir? Betrifft es mich gar persönlich? Dann ist die Märchenrecherche gleichzeitig Persönlichkeits- und Bewußtseinsarbeit. Wenn das der Fall ist, dann bekomme ich Herzklopfen bei einem bestimmten Satz oder einer bestimmten Szene im Märchen. Ist dir das auch schon mal passiert? Mit diesem Märchen sollten wir uns länger und intensiver auseinandersetzen.


Aber wichtig ist auch zu erfahren, welche Bedeutung dieser Gegenstand im alltäglichen Leben eines Menschen hat. Seit wann gibt es Spiegel? Wer stellt sie her und wie geschieht das? Hat sich der Gebrauch verändert im Laufe der Zeit? Fakten, Fakten und viele Fakten kann ich so sammeln. Historisch auch mal wertvoll und gut zu wissen, um das Märchen einzuordnen. Dabei hilft mir mein Interesse für historische Fakten, Ur- und Frühgeschichte und klassische Archäologie habe ich vier Semester lang studiert, das Mittelalter - von früh bis spät - fasziniert mich ganz allgemein. In die Geschichte einzutauchen ist faszinierend und wie ein Puzzlespiel, das sich immer mehr ergänzt. Mittelaltermärkte und Freilandmuseen sind meine Welt und Inspiration.


Und dann passiert es: "Ich hab doch da mal was gelesen dazu... Aber wo?" - Ist dir das auch schon passiert? Ich sollte unbedingt noch eine Datenbank anlegen...

Eine Verbindung eingehen

Es gibt ja nicht nur den 1 Märchengegenstand: was ist mit den Bergen und den Zwergen, dem Schnürband, dem Apfel und dem Sarg aus Glas?All diese Märchengegenstände und -figuren sind aus einem bestimmten Grund in diesem Märchen vereint.


Will ich das Märchen erzählen, um den Leuten eine gute Zeit zu bereiten, dann ist es gut, mich mit den wichtigsten Figuren und Dingen so intensiv auseinanderzusetzen. Besonders gilt das für diejenigen, die mir Bauchschmerzen bereiten, die ich nicht mag oder sogar ablehne. Oder die möglicherweise einem der ZuhörerInnen negativ erscheinen könnten. Denn gut zu erzählen heißt, das Märchen neutral oder objektiv zu erzählen, den Guten nicht noch besser darzustellen, den Bösen aber auch nicht schlechter. Dazu muss ich meine Haltung nicht verbal erklären. Meine Haltung zu den Märchendingen trage ich weiter über meine Stimme, die Stimm-ung, Betonungen, meine Körpersprache in Mimik und Gestik, Worte, die ich wähle oder auch Auslassungen. Deshalb lehne ich es ab, sogenannte Grausamkeiten wegzulassen oder zu beschönigen oder Märchen aus einem Kulurkreis zu erzählen, den ich nicht verstehe.

Singen, spielen, tanzen: dem Märchen einen Rahmen geben

Da hab ich jetzt also die Märchen. Für die Zuhörer ist es gut, wenn die nicht einfach so - PLOPP - PLOPP - PLOPP - aneinandergereiht werden. Ich mag es zu singen, Musik zu machen oder auch mal ein Tänzchen zu wagen. Und so singe ich Kinderlieder, Volkslieder, alte Schlager und heilsame Lieder, suche Schritte und Kreistänze oder flöte und klinge, am besten auf pentatonisch gestimmtem Instrument.


Will ich alleine singen und tanzen oder will ich, dass alle mitmachen? Manchmal muss es keinen Sinn ergeben oder eine Botschaft tragen. Manchmal darf es auch einfach nur Freude machen. Ich will schon auch schön singen und die Töne treffen, und ein Kreistanz will auch ordentlich angeleitet sein. Das heißt, ich muss meine Stimme üben und die Schritte probieren genauso wie die Anleitungen.


Es gibt Spiele, die sind für Kinder geeignet. Für ein Manager-Seminar kann ich aber auch gut Spiele wählen. Welche gibt es und welche sind für die Erzählsituation und die Zielgruppe passend und stimmig? Meist ist angegeben, für welche Altersgruppe ein Spiel geeignet ist und was das Thema und das Ziel ist. Trotzdem muss ich es zumindest gedanklich durchspielen. Klappt das? Wo könnten Schwierigkeiten auftreten und wie reagiere ich dann? Diese Arbeit erinnert mich immer wieder an das Feinplan-Schreiben in der Logopädie-Ausbildung.

Märchenrecherche ist eine weite Reise

Wann ist sie denn nun zu Ende, die Reise?


Die Erzählveranstaltung ist die wichtigste Station auf dieser Recherchereise. Die Märchenrecherche kann manchmal sehr viel Zeit beanspruchen. So viel Vorbereitung und dann ist es schon vorbei, das Märchen ist erzählt.


Manchmal ist das so. Doch manche Märchen begleiten und beschäftigen mich auch danach noch. Oder ein Märchen ruht, bis ich es nach längerer Zeit wieder erzählen will. Dann hole ich alles wieder hervor, überprüfe und ergänze. So ist das gleiche Märchen auch nicht jedesmal dasselbe. Ich bin im neuen Erzählmoment anders als das vorige Mal, neue Erfahrungen, neue Erkenntnisse. Und so kann ein Märchen auch anders scheinen, wenn jemand anders es erzählt.


Spannend, oder?




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